Trauma,
Liebe und Ich
Überarbeitetes Skript von dem gleichnamigen Seminar vom
30. Sept. 2017 in Augsburg
1. ICH
Aus der Sicht von Freud:
ES das
Unbewusste, das Kind-Ich
Über-Ich
das autoritäre
Überbleibsel
aus
der Kindheit, das Eltern-Ich
ICH,
Ego das
bewusst Erfahrende
Das ICH ist etwas in mir. Mit
meinem ICH gehe ich nach Außen und identifiziere mich mit verschiedenen
Rollen, wie z.B. als Lehrer, als Ehefrau/mann, als Mutter/Vater,
Politiker, Terrorist … Wichtig ist, dass ich jede Identifizierung wieder
loslassen kann und eine neue Identifizierung eingehen kann. Und ganz
besonders wichtig ist, dass ich mir bewusst bin, dass die
Identifizierung und mein ICH (Selbst) etwas Unterschiedliches
sind.
Die Freudsche ICH-Sicht würde nach
unserer Theorie bedeuten, dass das ES und das Über-ICH Identifikationen
sind. Nur das bewusste erfahrende ICH wäre mit unserer Identität
gleichzusetzen.
Wenn jemand mit uns in Kontakt
geht, dann erkennen wir, ob dieser Mensch uns authentisch begegnet oder
nicht. Authentisch würde bedeuten, dass seine Identifikation
durchdrungen ist von seinem ICH (Selbst). Dass dieser Mensch nicht nur
die Rolle repräsentiert, sondern auch indirekt etwas von sich (von
seinem ICH) preisgibt.
In einigen spirituellen
Richtungen geht es darum, das ICH aufzulösen. Wenn ich mein ICH auflöse,
dann verliere ich meine Identität. Eigentlich geht es darum, dass ich
mich in allem wiederfinde. Das bedeutet, dass etwas dazukommt und nicht
dass etwas wegfällt. Oft wird kein Unterschied zwischen Identität und
Identifikation gemacht. Aus meiner Sicht geht es in der Spiritualität
darum, dass ich in meinen Identifikationen immer meiner Identität voll
bewusst bin. D.h. ich bin immer in meiner Mitte. Ich bin immer auch ich
selbst.
2.
Trauma
Wenn wir das Trauma aus der
ICH-Sicht betrachten, dann bedeutet das, dass ich mit dem traumatischen
Erlebnis identifiziert bin, und zwar dauernd. Ich kann mich nicht davon
lösen. Wenn es angetriggert wird, dann ist es so präsent, als ob ich es
wieder erleben würde und in eine Hilflosigkeit komme, wo ich keinen
Handlungsspielraum mehr habe. Das traumatisierende Erlebnis wird in
unserem gesamten Körper gespeichert in Form von Muskelverspannungen,
Identifikationen und Emotionen.
Das Ziel der Traumatherapie wäre
dann, dass ich mich von meinen permanenten Identifikationen und daraus
resultierenden Überlebensstrategien löse unter Einbeziehung des
ganzen Körpers.
3.
Liebe
Wir wollen uns einige Formen der
Liebe anschauen.
- Partnerschaftliche
Liebe
In solch einer
Liebesbeziehung spielt das Gemeinsame eine große Rolle. Die Partner
erfüllen sich gegenseitig ihre Bedürfnisse. Es entsteht ein Raum von
Sicherheit und Geborgenheit. In dieser Atmosphäre können sich die Herzen
der Partner öffnen. Die sexuelle Liebe ist auch Teil der
partnerschaftlichen Liebe.
- Sexuelle Liebe
Diese Form der Liebe hat
das Ziel die Triebe zu befriedigen. Wenn dabei auch noch die
Herzensöffnung mit dazu kommt, dann können dabei sehr intensive Ebenen
der Gefühle erreicht werden, die bis hin zu Ekstase reichen. Die
Sexuelle Kraft in uns ist die stärkste Kraft. Sie fördert den
Fortbestand unserer Spezies.
Sexualität und
Herzensöffnung gemeinsam zu erfahren führt zu großer
Erfüllung.
- Bedingungslose
Liebe
Diese Form der Liebe ist
kein Gefühl, es ist eine innere menschliche Haltung. Ich akzeptiere den
anderen bedingungslos. Die bedingungslose Liebe wird als die höchste
Form der Liebe angesehen. Aus meiner Sicht ersetzt diese Liebe nicht die
partnerschaftliche und auch nicht die sexuelle Liebe. Die
partnerschaftliche und die sexuelle Liebe sind immer mit Bedingungen
verbunden.
Wir erleben die
bedingungslose Liebe in Situationen, wo wir mitfühlend sein können. Also
auch in verschiedenen Situationen in der partnerschaftlichen Liebe und
im täglichen Leben.
- Elternliebe
Die Liebe der
Eltern den Kindern gegenüber ist im Idealfall bedingungslos. Oft
schaffen Eltern diese Herausforderung nicht und zeigen den Kindern, dass
sie nur dann geliebt werden, wenn sie die Wünsche der Eltern erfüllen.
Die Kinder lassen sich darauf ein und passen sich an. Im
Erwachsenenalter haben diese Kinder dann die Vorstellung, dass sie etwas
Leisten müssten um geliebt zu werden. Sie können sich nicht vorstellen,
dass sie ihrer selbst willen geliebt werden. Fühlen sich jedoch die
Kinder von den Eltern bedingungslos geliebt, dann ist das u. a. das
beste Startkapital, das Eltern ihren Kindern für ihr Leben mitgeben
können.
-
Herzensöffnung
Der
wichtigste Punkt in der Liebe ist die Herzensöffnung. Es gibt viele
Erlebnisse im laufe unseres Lebens, die eine Öffnung unseres Herzens
verhindern bzw. beeinträchtigen. Es sind Erlebnisse, die uns
traumatisiert haben.
4. Übung Identität
wahrnehmen.
Die buddhistische
Achtsamkeit ist eine gute Übung zur Wahrnehmung unserer Identität. Wir
sitzen bequem und nehmen einfach nur wahr was geschieht. Wir spüren
unseren Atem, unseren Körper, nehmen unsere Gedanken wahr. Das alles,
ohne zu bewerten. Über unsere Identität nehmen wir uns wahr. Die
Fähigkeit wahrzunehmen ist unsere Identität, unser ICH. Die Inhalte, die
wir wahrnehmen, stammen eher aus Identifikationen.
Achtsamkeit im Alltag: Im
Internet gibt es eine schöne Seite mit Achtsamkeits-übungen im
Alltag:
www.fachausbildung-stressbewaeltigung-achtsamkeit.de/achtsamkeitsuebungen-im-alltag/
5. Identifikation
loslassen
Wir identifizieren uns im
Alltag in hunderten von Situationen und gehen in viele Rollen. Und genau
so oft gehen wir wieder aus der Identifikation heraus. Normalerweise
gelingt uns das sehr gut. In der Regel bleiben wir in allen
Identifikationen voll handlungsfähig. Erleben wir jedoch eine Situation
wo wir an unsere traumatische Identifikation erinnert werden, verlieren
wir unsere Wahl differenziert zu handeln und handeln nach alten Mustern
und kommen u.U in eine Hilflosigkeit. Wir gehen in eine Identifikation,
wo wir unsere neuen Erfahrungen nicht mitnehmen können. Wir handeln nach
alten traumatischen Erfahrungen, unseren Überlebenstrategien. Um diese
traumatischen Identifikationen loszulassen, ist professionelle Hilfe
sinnvoll.
6. Bioenergetische
Sichtweise
Alexander Lowen beschreibt
in diesem Diagramm welche Ebenen in uns angesprochen werden müssen,
damit sich das Trauma auflösen kann und wir an unsere Herzensliebe
kommen können. Lowen nennt die äußere Schicht ICH-Schicht. Aus meiner
Sicht handelt es sich jedoch um die Identifikation und nicht um die
Identität (ICH). In der Literatur wird oft nicht
differenziert.
Das Schichtenmodell von
Lowen:
1. Ich-Schicht
(Identifikation): Leugnen, Misstrauen, Schuld abwälzen,
Projizieren, Rationalisieren. Das alles sind Überlebensstrategien durch
traumatische Erfahrungen.
2.
Muskelschicht: Chronische Verspannungen
3. Emotionale
Schicht: Wut, Schmerz, Verzweiflung, Furcht
4.
Kernschicht: Liebe, Herz